Donnerstag, 24. Mai 2012


Breivik Prozess    

Prozesstag 22 in Oslo.









24.05.2012    

Link:
http://www.bild.de/news/ausland/norwegen-massaker/bild-reporter-beim-breivik-prozess-24297310.bild.html

BILD-Reporter Kai Feldhaus im Utøya-Prozess

Ich sah dem Teufel Breivik in die Fratze

" Immer wieder dieses Grinsen."

" Mich fröstelt."

   Von KAI FELDHAUS

 Oslo –  

Der Massenmörder ist müde, sein Gesicht 

käsig, übernächtigt. 

Es muss anstrengend sein, den ganzen Tag so zu tun, 

als sei man ganz normal.

 

An einem Morgen im Juli 2011 stand Anders Breivik 

(33) mit dem Vorsatz auf, so viele Menschen wie 

möglich zu ermorden

 

Er verkleidete sich als Polizist, schoss in einem 

Ferienlager der Arbeiterpartei 69 Kinder und 

Jugendliche tot

Dafür steht er nun in Oslo vor Gericht.

 

Ich, der BILD-Reporter, habe Breivik vor Gericht beobachtet.

8.57 Uhr.

Breivik betritt den Gerichtssaal, Anzug, Krawatte, Einstecktuch. 

Ich sitze einen Meter entfernt, uns trennt eine Scheibe aus Panzerglas. 

Die Plätze neben mir sind leer. 

Niemand will so nah an einem „Monster“ sitzen.


Nur: 

Dieser Typ wirkt nicht wie ein „Monster“. 

Schlimmer: 

Er wirkt wie der Teufel selbst. 

Wie ein höhnisch grinsender Teufel.


Immer wieder dieses Grinsen. 

Mich fröstelt. 

Dieses schiefe Grinsen, diese kalten, kleinen Augen. 

Er zupft an seinem Sakko. 

Nimmt einen Plastikbecher, tauscht ihn aus. 

Gießt Wasser ein, trinkt nicht. 

Er setzt sich, reißt ein Post-it ab. 

Kritzelt. 

Legt die Hände auf die Oberschenkel. 

Dann wird sein Gesicht zu Stein, er blinzelt nicht mal 

mehr.

Breivik will als politischer Aktivist gesehen werden. 

Als Ritter im Kampf gegen Linke und Islam. 

Das gelingt ihm nicht.


Fünf Jungen und Mädchen ruft das Gericht jeden 
Tag in den Zeugenstand, 17, 18 Jahre alt, denen
Breivik in Köpfe, Bäuche, Seelen schoss.

Die einen haben Augen verloren, andere Gliedmaßen. 

Alle haben sie Freunde oder Geschwister verloren. 

 Mohamed Hadi Hamed: Breivik-Opfer Foto: Reuters

Mohamed Hadi Hamed muss seit dem Massaker 
im Rollstuhl sitzen. 
Breivik nahm ihm ein Bein und 
ein Arm (Archivfoto vom Dezember 2011)

Ich denke: 

Diese jungen Leute sollten jetzt draußen sein, im 

Frühsommer von Oslo, Eis essen. 

Stattdessen sitzen sie hier, fensterlos und klimatisiert, 

im Vorhof zur Hölle, in die Breivik fahren wird.

Breivik, einer seiner Anwälte und BILD-Reporter Kai Feldhaus Foto: Scanpix/NTB
Gerichtssaal 250, Prozesstag 22. Breivik (l.) 
verfolgt die Zeugenaussagen. 
Neben ihm einer seiner Anwälte, dahinter ein weiterer Jurist. 
Rechts: BILD-Reporter Kai Feldhaus


Andrine Johansen, ein blondes Mädchen, 17 Jahre alt, berichtet, wie sie Breivik beim Töten zusehen musste. 

Als ich höre, was sie mit Kinderstimme sagt, 

möchte ich weinen: 

„Tina fiel um wie eine Puppe. 

Dann erschoss er Espen Jorgensen. 

Einem Jungen hielt er die Waffe an den Kopf

feuerte, ging weiter. 

Dann zielte er auf mich. 

Er grinste, als er die Waffe hob. 

Ein anderer Junge bekam die Kugel ab, die für mich 

bestimmt war. 

Er war sofort tot

Ich hörte, wie der Attentäter lachte: 

Hahaha! 

Ein bösartiges Lachen.“
 
Hinter mir sitzen die Eltern der Opfer, sie schluchzen. 

Kräftige Männer mit Stiernacken, Tränen laufen 

über ihre Wangen. 

Breivik sitzt und starrt, als ginge ihn das nichts an.

Kalte Wut steigt in mir auf. 

Wie, frage ich mich, halten die Eltern das aus: 

diese Pose, diese Gleichgültigkeit? 

Vier Polizisten sitzen um den Killer herum. 

Sie bewachen nicht ihn, sie bewachen das Publikum.

Die Überlebenden nennen Breivik „den Täter“, 

niemand sagt seinen Namen. 

Ein Mädchen nennt ihn „den Idioten“, da muss 

Breivik plötzlich grinsen, das amüsiert ihn. 

Ein Junge erzählt, wie er vor Panik ins Wasser 

sprang, dabei könne er nicht schwimmen. 

Wieder grinst der Killer, als dächte er an etwas 

Schönes zurück.

Die Polizei leistet nach Breiviks Anschlag Erste Hilfe Foto: AFP
22. Juli 2011: Nach Breiviks Anschlag im Jugendlager 
auf der Insel Utøya. Polizisten leisten Erste Hilfe 

Irgendwann, alle Zeugen sind gehört, 

erhebt Breivik seine Stimme. 

Weich ist sie und dunkel und schon 

nach zwei Sätzen denke ich: 

Es war besser, als er schwieg. 

Erträglicher. 

Er wolle jetzt mal etwas richtig stellen, sagt er: 

Auf Utøya habe er lediglich zwei Mal 

Heute werdet ihr sterben, Marxisten!“ gerufen

Er beklagt sich, dass die Überlebenden ihre 
politischen Funktionen nicht dargestellt hätten. 

Das wolle er nun tun und beginnt, die Namen 
seiner Opfer vorzulesen. 

Die Richterin würgt ihn ab. 

Ich möchte sie umarmen dafür.

Am Ende des Prozesstages spaziere ich zur Akersgata. 

Hier zündete Breivik die Bombe, die von Utøya 

ablenken sollte. 

Die Straße ist noch immer gesperrt, aber 

schon frisch geteert. 

Die Wunden der Stadt heilen. 

Und die der Opfer? 

Ich denke an Ylva Helene Schwenke, die gerade 

14 war, als vier Kugeln des Irren sie trafen. 

Stolz zeigte sie vor Gericht ihre Narben.

„Sie sind Zeichen eines Sieges. 

Ich trage sie mit Würde.“ 

Ein wundervoller Moment. 

Da grinste Breivik nicht.













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