„Er trat nach der Toten, dann schoss er noch einmal auf sie“
Prozess gegen Anders Breivik
Norwegen-Massaker:
Die Bilder des Schreckens
Von INGRID RAAGAARD
Der Massenmörder vor Gericht – beim Vorlesen der Obduktionsberichte verzieht er keine Miene
Er hat nach ihrem Tod auch noch nach ihnen getreten. Das erfuhren die Angehörigen am 16. Prozesstag – mal wieder ein Tag voller Tränen und Schmerz.
Zu Beginn wurden zwölf Obduktionsberichte verlesen.
Neun der Opfer
starben am Pumpenhäuschen, einem kleinen, schiefen Holzhaus, das sehr
abgelegen am Inselufer liegt.
Viele hatten hier Schutz gesucht, weil es
direkt am Ufer liegt. Außerdem gibt es große Steine, hinter denen man
sich verstecken kann.
Doch vor der Breivik-Bestie war niemand sicher.
Er
ermordete hier 14 junge Menschen.
Lars Henrik Rytter Øberg (18) – er war einer, der das Massaker am
Pumpenhäuschen überlebt hat.
Der junge Mann war zusammen mit Pamela
Prontip Ardam von der Cafeteria aus zum Pumpenhäuschen geflüchtet.
Pamela überlebte nicht,.
Ihr Freund erzählte jetzt vor Gericht von den
letzten Minuten, die er mit ihr verbracht hatte.
Etwa 30 junge Leute hatten sich am Pumpenhäuschen versammelt,
alle trösteten sich gegenseitig.
Als die Schüsse näher kamen, suchte sie
sich ein Versteck.
Dann aber kam Breivik und rief, er sei Polizist.
Lars Henrik:
„Seine Stimme war autoritär, militärisch und ganz ruhig, wie man es von
einem Polizisten erwarten würde.
Er rief, es sei alles okay, und wir
waren alle erleichtert. Da sah ich, wie er ein Mädchen erschoss.
Ich bin
wie gelähmt hinter dem Pumpenhäuschen stehen geblieben, aber er kam um
die Ecke und schaute mir direkt ins Gesicht.
Ich sah, dass er blaue
Augen hatte und frisch rasiert war.
Sein Gesicht war wie versteinert.
Dann begann die Schießerei.“
An die ersten Momente danach kann sich
Lars Henrik nicht mehr erinnern, aber er kam zu sich,
als ein Mädchen auf ihm lag – wahrscheinlich tot.
Er schupste sie zur Seite und sprang ins Wasser.
„Ich tauchte unter, und
als ich wieder hoch musste,
um Luft zu holen, zielte er direkt mit dem
Gewehr auf mich. Aber irgendwas passierte dann, er drehte sich um und
schoss auf all die anderen.“
Auch Mohammed Abdulhaman (20) überlebte das Massaker, weil er im Wasser
untertauchte.
Vorher aber wurde er Zeuge eines Horror-Szenarios:
„Ich
schaute zum Fenster hinaus, da kam ein
Mädchen und lief auf den Mann zu,
der wie ein
Polizist aussah, und fragte: ‚Was ist in Oslo‘ passiert? Da
erschoss er sie.
Er ging kurz weg, dann ging er zurück und trat nach
ihr. Er nahm eine andere Waffe und schoss noch einmal.“
Heldenhaft verhielt sich die Zeugin Janne Hovland (17).
Weil sie sich
mit Erster Hilfe auskennt, blieb sie bei zwei Verletzten in einem Zelt,
betreute sie.
Einmal schaute sie vorsichtig hinaus, sah Breivik,
wie er
am Ufer stand und über den See blickte.
Minutenlang beobachtete sie den
Massenmörder.
„Ich dachte mir, ich muss ihn mir genau anschauen,
damit
ich gegen ihn aussagen kann.
Ich wusste, dass schon viele gestorben
waren.
Deshalb dachte ich, wenn er von der Insel
verschwinden kann, muss
ich ihn beschreiben können.“
Im Prozess wirkte Breivik beim Verlesen der Obduktionsberichte
vollkommen teilnahmslos – wie immer.
Während der Zeugensagen aber machte
er sich Notizen. Als Mohammed Abdulhman mit seiner Aussage fertig war,
wandte sich Breivik ans Gericht.
Er habe auf der Insel niemanden
berührt.
Offenbar war er mit der Aussage, er habe nach einer
Toten mit den Füßen getreten, nicht einverstanden.
So Freunde, das war der 16. Tag im Breivik Prozess.
Bin Morgen wieder für euch auf dem Flug.
Euer Adler.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen