Piraten News Mittwoch, 16.05.2012
Piratenpartei 17:34 Uhr
Piraten genervt von Berliner Dauerchaos -
SPIEGEL ONLINE
Die Piraten haben ein Führungsproblem: Vor allem der wichtige Berliner Landesverband verschleißt einen Vorsitzenden nach dem anderen.
Mit
Hartmut Semken ist bereits der zweite Landeschef binnen weniger Monate
zurückgetreten.
Das Chaos beunruhigt die Bundesspitze.
Piratenchef Schlömer: Hofft auf Ruhe im Berliner Landesverband dapd
Piraten genervt von Berliner Dauerchaos
Berlin - Eigentlich müssten die Hauptstadtpiraten das große Vorbild
für ihre bundesweiten Ableger sein.
Die Berliner schoben mit ihrem
Wahlerfolg im vergangenen Herbst die Erfolgswelle der jungen Partei an.
Der Landesverband wächst, beherbergt mehrere prominente Piraten. Er
hilft in Wahlkämpfen und berät die übrigen Landesverbände, die das
Politikmachen gerade erst lernen.
Doch ausgerechnet der 3400 Mitglieder starke Landesverband der Metropole hat ein Dauerproblem mit seinem Vorstandspersonal.
Wochenlange Querelen haben den Führungszirkel der Berliner Piraten mürbe gemacht. Jüngste Eskalation:
der Rücktritt des Vorsitzenden Hartmut Semken in der Nacht zum Mittwoch.
Der 45-Jährige war erst im Februar zum Landeschef der Berliner
Piraten gewählt worden - nun ist er weg, nach nur 81 Tagen im Amt.
Auch
sein Vorgänger Gerhard Anger hatte den Job nicht lange machen wollen, er
gab ihn aufgrund "hoher emotionaler Belastung" ab.
Der Personalschwund schreckt auch die Parteispitze im Bund auf.
Hier
fürchtet man, das Hauptstadttheater gefährde die Vorbereitung auf die
Bundestagswahl.
Bundeschef Bernd Schlömer sieht die Berliner Piraten in
der Pflicht, ihre Probleme zu lösen.
"Ich hoffe, dass dieser mutige
Schritt für Ruhe im Berliner Landesverband sorgen wird", sagte er am
Mittwoch.
"Wir vergraulen die guten Leute"
Auch sein Stellvertreter Sebastian Nerz
mahnt:
"Die Berliner müssen lernen, besser mit dem Alltagsstress
umzugehen, den sie haben."
Es gebe viele Missverständnisse in der
täglichen Kommunikation über Twitter, Mailinglisten und im Piraten-Wiki.
"Man muss öfter einen Gang zurückschalten", rät er.
Nerz weiß, wovon er spricht.
Er selbst stand während seiner Amtszeit
als Piratenchef unter Dauerfeuer.
Nerz reagierte zunehmend gereizt auf
Angriffe aus der Hauptstadt.
Seit ihn Schlömer an der Parteispitze
abgelöst hat, wurde es ruhiger für Nerz.
Mittlerweile sagt der
Baden-Württemberger:
"Manche in der Partei treffen sehr schnell Urteile,
dass das Gegenüber ein Idiot ist."
In der facettenreichen Partei stören sich einige am Temperament der
Berliner.
Johannes Ponader, politischer Geschäftsführer der Bundespartei
mit Wohnsitz in Berlin, erklärt die Daueraufgeregtheit der
Hauptstadtpiraten so:
"Berlin führt als Gründungslandesverband bis heute
viele Debatten stellvertretend für die gesamte Partei, deshalb werden
sie oft heißer und emotionaler ausgetragen", sagt er.
Auch wenn sich die Streitkultur verbessert habe, müsse man in
Debatten vorsichtig sein, warnt Ponader:
"Wird Kritik nur harsch oder
respektlos geäußert, vergraulen wir damit gute Leute".
Scheitern kommen gesehen
Der Dauerstreit der Hauptstadtpiraten
torpediert die Bemühungen der Parteispitze, die Piraten bis zur
Bundestagswahl als seriöse, ernstzunehmende Alternative zu präsentieren.
Nerz glaubt zwar nicht daran, dass das Berliner Chaos die Aussichten
für 2013 wirklich gefährde.
Die Piraten könnten mit guter inhaltlicher
Arbeit den Streit überstrahlen.
Doch auch er gibt zu bedenken: "Jeder
personenbezogene Streit wirkt negativ."
Nach dem Rücktritt Semkens hofft Nerz darauf, dass die Aufregung in
der Hauptstadt wieder abflacht.
"Es ist einfach, für eine laute
Minderheit, Streit zu entfachen."
Er wünsche sich, "dass sich die
ruhigeren Piraten in den Vordergrund drängen".
Danach sieht es momentan
nicht aus:
Die Nachricht über den Rücktritt Semkens und dessen Umstände
lösten am Mittwochmorgen eine Welle wütender Tweets aus.
Viele Piraten
reagierten verärgert über das Personalchaos.
Im Nachhinein will man das Scheitern sogar kommen gesehen haben:
Im
Landesverband sieht man die Installation Semkens im Rückblick als
"Notlösung".
Vorgänger Anger hatte erst Stunden vor der Vorstandswahl im
Februar angekündigt, nicht mehr zu kandidieren.
Damals musste man auf
die Schnelle Ersatz finden. Semken überzeugte zwar mit seiner Rede auf
dem Parteitag.
Dennoch, so heißt es nun, sei es ein Fehler gewesen, den
45-Jährigen nicht nur auf drei Monate als Übergangsvorsitzenden gewählt
zu haben.
Krisensitzung für Mittwochabend anberaumt
Die frühere Schatzmeisterin Katja Dathe warnte davor, nun eine
überstürzte Entscheidung zu treffen. "Es ist wichtig, dass wir uns für
die Wahl eines möglichen neuen Vorstands Zeit nehmen."
Der Berliner
Abgeordnete Christopher Lauer rief dazu auf, für professionelle
Strukturen zu sorgen.
Die Anforderungen des Jobprofils seien angesichts
des Mitgliederansturms und der bundesweiten Aufmerksamkeit härter
geworden.
"Wir sollten den Rücktritt zum Anlass nehmen, offen und
kritisch darüber zu reden, was ein Landesvorstand unter den veränderten
Bedingungen leisten muss - und welche Personen wir aufgrund dieser
Anforderungen in unsere Ämter wählen", sagte Lauer SPIEGEL ONLINE.
Ob die Berliner ihre Führungskrise zeitnah in den Griff kriegen, ist
ungewiss.
Die übrigen Vorstandsmitglieder wollen Mittwochabend über die
Zukunft des Führungsgremiums beraten.
Das teilten sie auf ihrer Website mit.
Zwei Modelle sind nach Angaben des Landesschatzmeisters Enno Park
denkbar:
Entweder erklärt sich der restliche Vorstand für
geschäftsunfähig und tritt zurück, dann wird es in den kommenden Wochen
eine Neuwahl geben.
Oder der Vorstand arbeitet bis zum geplanten
Parteitag im September weiter und der Landesverband gewinnt etwas Zeit,
um in Ruhe Kandidaten zu finden.
Piratenpartei 13:05 Uhr
Piratenpartei in Geldsorgen:
NRW-Piraten werden reich – die im Bund aber arm - Deutschland - FOCUS O
Die Piraten freuen sich über den Wahlerfolg in Nordrhein-Westfalen.
Für die Bundespartei ist nun aber Rechnen angesagt, Spendenaufruf inklusive.
Grund dafür: ein Phänomen der Parteienfinanzierung.
Link: http://www.focus.de/
Dienstag, 15.05.2012, 15:04 · von FOCUS-Online-Redakteur Peter Seiffert
dpa
Die Piratenpartei ist besorgt um ihre Finanzen. „7,8% in NRW sind geil!!! – das bewirkt als Nebeneffekt aber, dass der Bundesverband weniger Geld bekommt“, lässt die Partei via Twitter verlauten – verbunden mit einem Spendenaufruf.
In der Tat ist der Einzug in den Landtag für die Piraten ein Problem.
Es geht, wie so oft,
um Geld.
Wer das verstehen will, muss Begriffe wie „relative
Obergrenze“ und das Parteiengesetz genau kennen – oder er fragt Rene
Brosig, bis Ende April Schatzmeister der Bundespiraten.
Der beruhigt erst mal: „Handlungsunfähig werden die Piraten nicht“, sagt er FOCUS Online.
Sie werden sich aber damit beschäftigen müssen, welche Folgen ein kurioses Phänomen der Parteienfinanzierung für sie hat.
Wahlerfolg bringt allen Parteien Einfluss – und Geld
Jede Stimme bei Wahlen bringt den Piraten zunächst Geld in Form von staatlichen Zuschüssen (das gilt für alle Parteien, die einen bestimmten Prozentsatz erreichen).
Ausführlich ist das zum Beispiel auf den Seiten des Bundestags erklärt.
Für junge, kleine Parteien mit großem Wahlerfolg birgt das System aber Probleme.
Problem
I:
Die Parteien erhalten nicht beliebig viel Geld. So darf beispielsweise die Höhe der staatlichen Zuschüsse nur so hoch sein wie die eigenen Einnahmen – etwa aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen.
Die Feinheiten der Berechnung haben die Piraten in der Festsetzung der Mittel für 2011 zu spüren bekommen.
Die Piraten erhielten 578 000 Euro –
die Grünen fast 14 Millionen
Eigentlich hätten ihnen nach eigenen Angaben über 1,5 Millionen Euro zugestanden.
Dieser Betrag wurde auf 578 219,55 Euro gekappt.
Zum Vergleich:
Die Grünen erhielten fast 14 Millionen Euro, die Linke über 12 Millionen, die NPD 1,3 Millionen.
Im Prinzip ist diese „relative Obergrenze“
dennoch eine gute Regelung, findet Brosig, weil sie den Einfluss des
Staates auf die Parteien begrenzt.
Außerdem sollen die Parteien
nicht nur nach Wahlerfolg, sondern nach ihrem „Rückhalt in der
Bevölkerung“ vom Staat unterstützt werden.
Und der wird eben gemessen an Mitgliedern und Spenden, heißt es beim Institut für deutsches und internationales Parteirecht in Düsseldorf.
Das Problem mit den Zuschüssen an die Landesverbände
Problem II: Diese „relative Obergrenze“ gilt für die Gesamtpartei. Das Geld, das die einzelnen Landesverbände für Wählerstimmen erhalten, ist dagegen nicht gedeckelt.
Genau das stellt die Piraten nun vor ein Problem. Denn dem Landesverband Nordrhein-Westfalen stehen nach der Wahl 304 478,50 Euro zu – 608 957 Wählerstimmen mal 50 Cent.
Das Geld wird aber nicht zusätzlich ausgeschüttet, sondern von den Mitteln abgezogen, die der Bundesverband eigentlich erhalten müsste.
Resultat: Die Bundespiraten bekommen nicht, wie bisher, über 331 000 Euro zugewiesen, sondern nur noch 29 503,05 Euro.
So jedenfalls hat es Brosig errechnet und in einer Tabelle veröffentlicht.
Eine schlechte Regelung, findet der Ex-Schatzmeister, weil die staatlichen Zuschüsse an den Bund aufgefressen werden.
Mit anderen Worten:
Die Piraten in NRW werden reich, die im Bund und anderen Landesverbänden arm.
Im Jahr der Bundestagswahl droht eine Finanzierungslücke
Wann genau sich dieser Effekt bemerkbar macht, ist schwer zu sagen.
Das hängt mit den Terminen zusammen, an denen die Bilanzen der Piraten (und anderer Parteien) vorliegen müssen und an denen die staatlichen Zuschüsse rückwirkend für das vergangene Jahr festgelegt werden.
Sicher
aber ist: Ausgerechnet 2013, im Jahr der Bundestagswahl also, droht den
Piraten im Bund eine Finanzierungslücke.
Bislang gibt der
Bundesverband einen großen Teil der Zuschüsse ohnehin an die
Landesverbände weiter, lediglich 60 000 Euro verbleiben.
Weil sich die Zuschüsse durch den Wahlerfolg insgesamt auf nur noch 29 503,05 Euro belaufen, ist aber erst mal Schluss mit dem Verteilen – und den Bundespiraten fehlen 30 000 Euro.
Das ist der Grund für den Spendenaufruf via Twitter.
Ex-Schatzmeister beruhigt: Mitgliedsbeiträge steigen
Ein Trost: Der Mitgliedsbeitrag wurde auf dem jüngsten Parteitag in Neumünster von 36 auf 48 Euro angehoben.
Die Anzahl der Mitglieder hat sich seit der Berlin-Wahl zudem mehr als verdoppelt.
Die Zahlungsmoral ist
schlecht, aber Brosig davon aus, dass der Mitgliederboom durchaus für
Entspannung sorgt, denn die Mitgliedsbeiträge gehen zu 40 Prozent an den
Bundesverband.
Außerdem dürften sich die staatlichen Zuschüsse
insgesamt erhöhen – zum Beispiel, weil sich durch mehr zahlende
Mitglieder auch die „relative Obergrenze“ erhöht und weil auch die
Gesamtpartei einen Betrag für Landes-Wählerstimmen erhält.
In diesem Fall bliebe der Bundespartei zwar weniger Geld als ursprünglich, aber mehr als befürchtet.
Nur können die Piraten damit im wahrsten Sinn des Wortes noch nicht rechnen:
Die Zuschüsse hängen auch von den Anteilen anderer Parteien ab.
Von den über 100 000 Followern der Piratenpartei auf Twitter kamen bis Dienstag übrigens genau 45 Menschen dem Aufruf nach, der Bundespartei jeweils 500 Euro zu spenden.
Ein Ausweg bleibt der Partei so oder so:
Geld von
den Landesverbänden an die Gesamtpartei zu überweisen, ist nicht
verboten.
Wie genau das ausgestaltet wird, darüber würden die
diskussionsfreudigen Piraten sicher lebhaft streiten.
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