Duda News Donnerstag, 31.05.2012
Marcel Duda gelesen um 16:20 Uhr
Link:
http://www.unicef.de/presse/2012/vergleichsstudie-kinderarmut/
Reiche Länder – arme Kinder
Neuartige Analyse zu Kinderarmut – Ergebnis für Deutschland enttäuschend
Rund 30 Millionen Kinder wachsen in den 35
reichsten Staaten der Welt
in relativer Armut auf,
fast 1,2 Millionen dieser Mädchen und Jungen
leben
in Deutschland.
Ungefähr ebenso viele Kinder in Deutschland
entbehren notwendige Dinge wie regelmäßige Mahlzeiten oder Bücher.
Dies
sind Ergebnisse der neuen UNICEF-Studie „Kinderarmut messen – Neue
Ranglisten der Kinderarmut in den reichen Ländern der Welt“.
Neben der
relativen Einkommensarmut
dokumentiert UNICEF darin mit Hilfe eines so
genannten Deprivationsindex erstmals auch
umfassend absolute
Mangelsituationen von Kindern.
Demnach erhält in Deutschland zum
Beispiel eines
von 20 Kindern keine tägliche warme Mahlzeit.
Insgesamt
schneidet Deutschland bei diesem
Vergleich – ähnlich wie in früheren
Studien – nur mittelmäßig ab.
„Es ist enttäuschend, dass Deutschland
es nicht
schafft, die materiellen Lebensbedingungen für
Kinder
entscheidend zu verbessern“, sagte Christian Schneider, Geschäftsführer
von UNICEF Deutschland.
„In Zeiten der Haushaltskonsolidierung tut es
besonders Not, gezielt die am meisten benachteiligten Kinder zu
unterstützen.
Bund, Länder und Kommunen müssen sich gemeinsam klare
Ziele mit Zeitangaben setzen, um Armut und Ausgrenzung Schritt für
Schritt abzubauen.
In reichen Industrieländern sollte kein
Kind
notwendige Dinge entbehren müssen.“
UNICEF-Kernaussagen zur Diskussion um kindliches Wohlbefinden, Kita-Ausbau und Betreuungsgeld
30. Mai 2012: Anlässlich der Vorstellung der neuen UNICEF-Studie „Kinderarmut messen – Neue Ranglisten der Kinderarmut in den reichen Ländern der Welt“ am 29. Mai sagte Christian Schneider, Geschäftsführer UNICEF Deutschland:
„Die Kluft zwischen Kindern in Deutschland darf nicht weiter wachsen.
Dazu müssen klare Prioritäten für die Förderung benachteiligter Kinder gesetzt werden.
Der Ausbau der Kinderbetreuung muss quantitativ und qualitativ vorangetrieben werden.
Das Betreuungsgeld dient diesem Ziel nicht.
Was wir brauchen, ist eine nationale Agenda, die allen Kindern gute Chancen auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht.“
Das Wohlergehen der Kinder muss politische Priorität bekommen.
Die Kluft zwischen Kindern, die gesund, abgesichert und gefördert aufwachsen und solchen, deren Alltag durch Hoffnungslosigkeit, Mangel und Ausgrenzung geprägt ist, darf nicht weiter wachsen.
UNICEF setzt sich für eine umfassende Unterstützung und Förderung benachteiligter Kinder ein, die ihnen Chancen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen.
Kindliches Wohlbefinden umfasst nicht allein materielle Bedingungen wie das Einkommen, sondern auch Faktoren wie Zugang zu frühkindlicher Förderung, Bildungschancen, Gesundheit und Sicherheit, Beziehungen zu Gleichaltrigen, Verhalten und Risiken sowie das subjektive Wohlbefinden.
Bei der frühkindlichen Förderung hinkt Deutschland trotz der Investitionen der vergangenen Jahre im internationalen Vergleich noch hinterher.
Immer noch besuchen Kinder aus benachteiligten Familien seltener eine gute Kita.
Dazu brauchen gerade sie frühzeitige gezielte Förderung.
Um Kinderarmut zu verringern ist es auch wichtig, dass alleinerziehende Eltern besser unterstützt werden und auch am Arbeitsleben teilhaben können.
Hierzu sind zwingend ausreichende Betreuungsplätze notwendig.
Der Ausbau der Kinderbetreuung muss quantitativ und qualitativ vorangetrieben werden.
Hierzu gehören ein guter Ausbildungsstand der Mitarbeiter, eine bessere Bezahlung der Mitarbeiter und eine bessere gesellschaftliche Anerkennung des Berufs, ein angemessener Personalschlüssel sowie einheitliche Qualitätsstandards.
UNICEF begrüßt es grundsätzlich, wenn Familien mit Kindern staatliche finanzielle Unterstützung erfahren.
In Zeiten knapper Haushalte ist jedoch ein Überblick über alle familienpolitischen Leistungen nötig.
Die Prioritäten müssen dann so gesetzt werden, dass die Mittel insbesondere den finanziell und sozial benachteiligten Kindern zugutekommen.
Das Betreuungsgeld dient diesem Ziel nicht.
Der Index der Entbehrungen
Der Deprivationsindex erfasst insgesamt 14 verschiedene Güter oder Angebote wie ein Platz für Hausaufgaben, Internetanschluss oder Freizeitaktivitäten zum Beispiel in einem Sportverein und soll so die Lebenswirklichkeit armer Kinder in reichen Ländern konkreter abbilden.
Basis ist eine repräsentative Erhebung der Europäischen Union, für die 125.000 Haushalte erstmals nach Daten zu Kindern befragt wurden.
Rund 13 Millionen Kinder in 29 Industrieländern entbehren mehr als zwei dieser grundlegenden Dinge.
Dies wird als Hinweis auf eine besondere Mangelsituation bewertet.
In Deutschland liegt dieser Anteil bei 8,8 Prozent. Beim Ländervergleich belegt Deutschland Platz 15 von 29 Ländern und schneidet deutlich schlechter ab als Dänemark (2,6 Prozent) oder Schweden (1,3 Prozent), obwohl die Länder hinsichtlich des Pro-Kopf-Einkommens und der wirtschaftlichen Entwicklung auf einem ähnlichen Niveau liegen.
Im Vergleich zu Schweden (das nach Island auf Platz 2 dieser Rangliste liegt) ist die Deprivationsrate hierzulande sogar fast sieben Mal höher.
Besser als in Deutschland geht es auch Kindern in Großbritannien, obwohl dort die Pro-Kopf-Einkommen im Schnitt niedriger liegen als bei uns.
Die höchsten Deprivationsraten finden sich in den ärmeren Staaten Europas wie Rumänien, Bulgarien und Ungarn.
Am häufigsten mangelt es Kindern hierzulande an regelmäßigen Freizeitaktivitäten (6,7 Prozent).
Nahezu eins von 20 Kindern muss auf eine tägliche warme Mahlzeit verzichten (4,9 Prozent).
4,4 Prozent der Mädchen und Jungen haben keinen Platz, an dem sie ihre Hausaufgaben machen können.
3,7 Prozent der Kinder besitzen höchstens ein einziges Paar Schuhe.
3,1 Prozent der unter 16-Jährigen erhalten nie neue Kleider und drei Prozent leben in einem Haushalt ohne Internetanschluss.
Besonders häufig entbehren Kinder in Deutschland wichtige Dinge, wenn die Eltern arbeitslos sind (42,2 %) oder wenn sie einen niedrigen Bildungsabschluss haben (35,6 %).
Grafik:
Index der Entbehrungen von Kindern in 29 Industrieländern
Zu geringe Verbesserungen bei Einkommensarmut
Das UNICEF-Forschungsinstitut in Florenz hat für die vorliegende Untersuchung die neuesten erhältlichen Daten ausgewertet – die meisten davon stammen allerdings aus dem Jahr 2009.
Für den Vergleich der Einkommensarmut von Familien mit Kindern lagen Daten aus den EU-Staaten und sechs weiteren OECD-Ländern vor.
Die meisten skandinavischen Länder, die Niederlande, Zypern und Slowenien schneiden mit Armutsraten unter sieben Prozent am besten ab, Schlusslicht sind Rumänien und die USA.
Deutschland liegt bei diesem Vergleich im oberen Mittelfeld – auf Platz 13 von 35 Ländern.
Seit der Vergleichsuntersuchung von 2005 hat sich Deutschland zwar leicht verbessert.
Anders als in den meisten Staaten sank hier der Anteil von Kindern, die in einkommensschwachen Haushalten aufwachsen, von 10,2 Prozent (2005) auf 8,5 Prozent (2009).
In allen skandinavischen Ländern, den Niederlanden, Österreich, Tschechien, der Schweiz und in Irland sind Kinder jedoch nach wie vor – oft mit deutlichem Abstand – seltener arm.
Ebenfalls besser da stehen Island (auch hier auf Platz 1), Zypern und Slowenien.
Ohne Kindergeld, Steuererleichterungen und Sozialleistungen hätte die
Armutsrate in Deutschland unter Familien mit Kindern 2009 bei 17
Prozent gelegen – doppelt so viel wie die gemessenen 8,5 Prozent.
Deutschland gehört so zu den – insgesamt nur zehn von 35 – untersuchten
Staaten, in denen Kinderarmut seltener vorkommt als Armut unter
Erwachsenen.
Doch andere Länder tun deutlich mehr, um die materielle
Situation von Kindern zu verbessern.
Vergleicht man die Rate der
Kinderarmut vor und nach staatlichen Maßnahmen, so verringern Irland,
Ungarn und Großbritannien den Anteil von Kindern in Armut am
deutlichsten.
Grafik:
Relative Kinderarmut in 35 Industrieländern
UNICEF-Schlussfolgerungen
Kinderarmut ist ein wichtiger Faktor für kindliches Wohlbefinden, das in seiner Gesamtheit erstmals 2007 von UNICEF dokumentiert wurde.
Dieser umfassende Ansatz soll in Folgeuntersuchungen wieder aufgegriffen werden.
Aus der jetzt vorgelegten speziellen Studie zur materiellen Situation von Kindern ergeben sich aus Sicht von UNICEF folgende Konsequenzen:
Vorrang für Kinder auch in Zeiten der Finanzkrise:
Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Aufwendungen für Kinder und positiven Wirkungen einer solchen Politik.
Die Haushaltskonsolidierungen im Zuge der Finanzkrise dürfen nicht dazu führen, dass die Interessen von Kindern hinten angestellt werden.
Nationale Agenda gegen Kinderarmut:
In Deutschland fehlt ein umfassender Aktionsplan, um Kinderarmut zu senken.
Die Bundesregierung sollte gemeinsam mit den Ländern genaue Ziele mit Zeitangaben festlegen, um Armut und Ausgrenzung Schritt für Schritt abzubauen.
Dabei muss die gezielte Unterstützung für besonders benachteiligte Kinder oberste Priorität erhalten.
Politik für Kinder braucht genauere und aktuellere Daten und Fakten:
Wirtschaftswachstum, Inflation oder Beschäftigungsraten werden in allen untersuchten Ländern vierteljährlich registriert.
In Zukunft müssen diese Staaten sicherstellen, dass auch Daten zur Lage der Kinder und insbesondere zu Kinderarmut regelmäßig und in kurzen Abständen – mindestens einmal pro Jahr – erhoben werden:
Daten zu relativer Einkommensarmut wie auch Daten zu direkten Entbehrungen, zur Dauer von Notlagen und zur Tiefe der Armut.
Dabei sollten vor allem in großen Ländern wie Deutschland auch
Für Rückfragen und Interviewwünsche:
UNICEF-Pressestelle, Helga Kuhn,
0221/93650-234,
E-Mail: presse(at)unicef.de
Marcel Duda hat Emma Bakers Foto geteilt.
gesehen um 14:30 Uhr
Pinnwand-Fotos
Von: Emma Baker
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