Dienstag, 22. Mai 2012


Breivik Prozess  Dienstag     22.05.2012     










Prozesstag 20 in Oslo.

Breivik löschte dieses Lächeln aus

gelesen um 18:50 Uhr

Elisabeths Schwester Cathrine sagte im Prozess gegen den Massenmörder aus

Von KAI FELDHAUS (z.Zt. in Oslo)

Link:  
http://www.bild.de/news/ausland/norwegen-massaker/prozess-anders-behring-breivik-artikel-24272672.bild.html

Breivik löschte dieses Lächeln aus.                          Foto: dpa Picture-Alliance

Elisabeth Trønnes Lie (16) wurde bei dem Massaker erschossen.

Oslo (Norwegen) Zum letzten Mal sah Cathrine Trønnes Lie (18) ihre kleine Schwester Elisabeth (16) nachmittags um fünf. 

Sie stand vor der Cafeteria auf der Insel Utøya und reckte beide Daumen in die Luft: 

Alles okay, es geht mir gut. 

Eine Stunde später war Elisabeth tot.

Es ist die Woche der Überlebenden im Prozess 
gegen Amokläufer Anders Behring Breivik (33). 

Zeuge um Zeuge erzählen sie, wie sie davon kamen: 

Aus Schusswunden in Kopf, Bauch, Armen und Beinen blutend, an Freunde geklammert schwimmend, sich versteckend in Felsspalten oder hinter Bäumen. 

Manche stellten sich tot

Es sind Aussagen des Triumphes: 

Du hast uns verletzt, Breivik. 

Aber wir leben.

Manchmal aber muss vom Tod gesprochen werden. Cathrine tut es mit leiser Stimme und steinernem Gesicht.

Sie habe noch mit ihren Eltern telefoniert, sagt das Mädchen mit dem dunklen Haar, wegen der Bombe 
in Oslo. 

Den Eltern ging es gut, das signalisierte sie ihrer Schwester Elisabeth vor der Cafeteria, sie stand zu 
weit weg, um mit ihr zu sprechen. 

Es wäre das letzte Mal gewesen.

Dann fielen die ersten Schüsse.

„Ich verstand erst nicht, warum alle rennen. 

Bis ich ein Mädchen mit einem Loch im Kopf sah.“ 

Cathrine lief den „Liebespfad“ hinab ans Wasser. 

Breivik folgte ihr, schoss Cathrine in den Rücken.


„Ich spürte so ein Brennen in mir drin. 

Ich wollte einen Jungen bitten, meine Mutter anzurufen, aber es ging nicht.“ 

Die Kugel hatte ihre Lunge zerfetzt. 

„Ich dachte: 

Das war es jetzt. 

Ich bemerkte, wie ich das Bewusstsein verlor. 

Es fühlte sich fast schon gut an.“

Retter kamen mit einem Boot, brachten Cathrine 
ans Festland. 

Sieben Mal wurde sie in zehn Tagen operiert, 
erst danach sagte man ihr, dass Elisabeth es 
nicht geschafft hat. 

„Es geht mir relativ gut“, sagt sie fast ein Jahr 
später vor Gericht. 

„Aber ich habe mein Interesse an vielen Dingen verloren.“

Was für ein furchtbarer Satz aus dem Munde eines 
18 Jahre alten Mädchens.


Viljar Hanssen (18) konnte seinen Bruder (14) retten. 

Er zahlte dafür einen hohen Preis: 

Er verlor das rechte Auge und drei Finger der linken Hand. 


„Das mit dem Auge ist heute nicht so schlimm“, 
scherzt er vor Gericht und nickt leicht nach rechts, 
wo der Attentäter sitzt. 

„Dann muss ich ihn wenigstens nicht sehen.“


Seinen Bruder hatte er am Wasser versteckt, 
als vier Kugeln Viljar trafen. 

„Ich tastete durch mein Gesicht, konnte mein Auge 
nicht finden.“ 

Erst im Krankenhaus erfuhr er, dass sein Bruder lebt.

Therese B. (18) saß in ihrem Zelt und aß Süßigkeiten, 
als der Terror begann. 

Nun sitzt sie im Zeugenstand, ganz klein und zart, und berichtet von ihrer kaputten Niere, dem Riss im Darm, von Magen und Lunge, die geschädigt sind. 

„Ich hatte noch nie Schusswunden gesehen“ sagt sie. 

„Ich habe das alles erst nicht verstanden. 

Da lag ein Mädchen, es hatte einen roten Fleck auf 
der Stirn. 

Es bewegte sich nicht. 

Es sah gar nicht schlimm aus, einfach nur ein roter Fleck.“

Breivik schoss Therese in den Bauch. 

„Ich fühlte eine Explosion in mir drin, dann wurde alles schwarz.“ 

Im Krankenwagen hörte sie einen Sanitäter: 

„Wir brauchen einen Helikopter, sonst verlieren wir sie.“ 

Und wieder wurde alles schwarz.

Das alles erzählt sie mit zarter Mädchenstimme, den Kopf konsequent nach links gewandt, keinen Blick, keine Geste in Richtung des Amokläufers, der nur fünf Meter entfernt sitzt.

Sie wolle Psychiaterin werden, sagt Therese ganz am Schluss. 

Oder Gefängnisaufseherin. 

Da lächelt Breivik kurz. 

Es ist dieses Lächeln, von dem die Überlebenden von Utøya berichten: 

Ganz ruhig, fast milde. Teuflisch, irgendwie.






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